Bülow lawpilots Raketenstart Blog

philipp von bülow im interview

Von der GLOSSYBOX zum Legal Tech-Seriengründer  


Wie Philipp von Bülow sein Startup Jurato an ANWALT.DE verkaufte, Geschäftsführer bei Lawpilots wurde und was Motocross mit dem Gründen verbindet

 „Einfach mal Gas geben und rausgehen“, rät Philipp von Bülow neuen Gründern. Der Seriengründer verkaufte erfolgreich sein erstes Startup Jurato an anwalt.de. Als Gesellschafter wirkt er außerdem bei VISARIGHT mit und ist seit Anfang 2019 Managing Director bei der Lawpilots GmbH. Im Interview erzählt er von seinem Werdegang. Im Blogartikel erfahrt ihr, wie er dahin gelangte, wo er heute steht und was seine persönliche Leidenschaft Motocross mit dem Gründen verbindet.

 
Hinweis: Das Interview ist eine schriftlich gefasste Form der Raketenstart-Podcastfolge mit Philipp. Es handelt sich nicht um 1-zu-1-Zitate.
 
Hallo Philipp, vielleicht magst du damit anfangen, wer du bist & dann einen Überblick zu deinem persönlichen Gründerwerdegang geben.
Wo soll ich da nur anfangen? Ursprünglich habe ich Betriebswirtschaft in Berlin studiert. Eigentlich wollte ich zum Film, habe aber damals schon, also 2005, gemerkt, dass in der Filmbranche die Luft raus ist. Weil ich dachte, dass man mit Betriebswirtschaft am Ende mehr anfangen kann, als wenn man auf der Schauspielschule war, habe ich mich für BWL entschieden. Neben dem Studium habe ich dann angefangen, im Film zu arbeiten, um so meine Leidenschaft einbinden und mir am Wochenende etwas dazu verdienen zu können. Im Anschluss bin ich nach Kopenhagen gegangen, wo ich durch Case Studies gemerkt habe, dass BWL tatsächlich Spaß machen kann. In Kopenhagen habe ich ein Stipendium bekommen, das mich anschließend nach Mailand verschlagen hat. Italien war eine wirklich spannende Zeit, in der ich meinen zweiten Master gemacht und meinen ersten kleinen Job bekommen habe. In dem Startup einer Freundin „kids4trees“ haben wir Spielplätze für Kinder konzipiert und gebaut. Über Umwege bin ich zurück nach Berlin gekommen durch ein Angebot von Rocket Internet und dann die GLOSSYBOX mit aufgebaut.

Was kann man sich unter der GLOSSYBOX vorstellen?
GLOSSYBOX ist eine monatliche Beautybox mit 5 bis 6 Samples von namhaften Herstellern. Von Lippenstift über Make-up und Parfum hin bis zu Shampoo kann in der Box alles Mögliche enthalten sein. Gefällt der Kundin das Produkt, kann sie über den Hersteller selber oder durch den Onlineshop das Fullsize-Produkt kaufen. Um den richtigen Geschmack jeder Kundin zu treffen, erfragen wir durch Beautyprofile die Wünsche und Produktvorlieben, woraufhin eine Custom-Made Box zugestellt wird. Insgesamt hatten wir über 250.000 Kundinnen. Die männliche Zielgruppe haben wir mit GLOSSYBOX MEN aufgegriffen und unseren weltweiten 50.000 männlichen Kunden eine vierteljährliche Box zusammengestellt, die Produkte wie Aftershave, Duschgel oder Haarwachs enthielt.
 
Beauty ist ja nicht gerade ein Standardthema für männliche Unternehmer, wie bist du denn bei der GLOSSYBOX gelandet?
Ein Freund von mir war der Gründer und hat mich dann gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mitzumachen. Ich war einer der ersten Mitarbeiter und habe mich anfangs um den Vertrieb gekümmert. Später wurde GLOSSYBOX MEN dann zu meiner Hauptaufgabe. In der Zeit, in der ich bei GLOSSYBOX war, konnte ich sehr viel sehen und Gründerluft schnuppern. Bei Rocket Internet kann man die „andere“ Gründerwelt gut verfolgen. Viel Geld, viel Organisation und ganz anders, als wenn man selbst gründet, bootstrapped und Sachen auf die Straße bringt. Die zwei Jahre bei GLOSSYBOX, als auch die beiden Jahre bei Rocket Internet waren eine unglaubliche Zeit, in der ich gemerkt habe, das Gründen mir Spaß machen könnte und so kam es 2013 zu der Entscheidung, mich mit Jurato selbstständig zu machen.

Jurato ist eine Plattform für die Vermittlung und Verwaltung von Rechtsfällen. Auf die Idee gekommen bin ich auch wieder über Umwege. Zusammen mit einem Freund, der zu der Zeit Jura studiert hat, habe ich festgestellt, dass es keine Plattform gibt, auf der man einen Anwalt direkt beauftragen kann. Es gab Plattformen, wo man Anwaltsprofile zwar sehen konnte, aber nicht bewerten. Man musste anrufen oder persönlich aufschlagen, um sich ein Bild von Anwalt und Preis zu machen. Wir dachten uns, dass es eine Lösung geben müsse, dem Anwalt direkt sein Anliegen zu schildern und einen Preisvorschlag zu erhalten. Der ProSiebenSat.1 Accelerator wurde schon zu Beginn auf uns aufmerksam und wir zogen nach München auf den Campus. Dort haben wir das Produkt entwickelt. In der Zeit haben wir sehr viel gelernt, auch wenn nicht immer alles richtig gelaufen ist. Wir haben dann nach über sechs Jahren, Anfang 2018, die Firma an anwalt.de verkauft. Mit dem Verkauf der Firma habe ich eine Stelle dort angenommen und war dafür zuständig, dass unser Programm lückenlos in das Programm von anwalt.de überführt wird, bevor ich dann 2019 ausgestiegen bin.

 
Hast du das Gefühl, dass deine Zeit bei Rocket Internet und die Impulse, die du dort mitnehmen konntest, dir einen Vorteil verschafft haben?
Oli Samwer, den man in der Szene kennt, hat uns damals betreut. Dadurch habe ich gelernt, wie man schnell Themen auffasst und so bearbeitet, dass sie schnell skalierfähig sind und auf den Markt gebracht werden können. Zu meinen ersten Gründungen kann ich jetzt rückblickend sagen, dass ich viel zu viel Zeit in kleine Sachen und Details gesteckt habe. Mit jedem Mal wird man aber besser, man weiß, worauf es ankommt und hält sich nicht mehr mit Kleinigkeiten auf. Man beschäftigt sich nicht mehr mit Einzelverträgen, sondern hat sie schon in der Schublade liegen und kennt die Leute, die die Themen schneller auf die Straße bringen. Im ersten Jahr waren wir knapp 20 Leute, im Jahr darauf schon über 200. Deswegen würde ich schon sagen, dass ich gute Einblicke in diese Welt bekommen konnte. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass dies nur möglich war, weil so viel Geld hinter Rocket Internet steht. Das normale Gründerleben sieht nicht so aus. Man nimmt vor allem den Speed und die Professionalität mit.
 
Wie läuft denn ein Exit an eine andere Firma wie anwalt.de ab?
Wir haben ca. drei Monate darüber verhandelt, ob es passt, was passt, wie wir es über die Bühne bringen, was übernommen wird und was nicht. Die Idee war, dass ich mit ins Management von anwalt.de gehe. Meine beiden Mitgründer waren damals nicht mehr aktiv im Management von Jurato. Alexander Gloning ist zurück nach München gegangen und hat dort eine Familie gegründet. Der andere Philipp Venohr, hat immer nur Beratung gemacht und war nie aktiv im Management. Thematisch haben wir viel über die Kundenübernahme gesprochen, sodass Jurato-Kunden anwalt.de mitnutzen können und umgekehrt, aber auch Service, Marketing und Vertrieb besprochen, sodass nun alles über anwalt.de läuft.
 
Es erscheint ja eher ungewöhnlich in der juristischen Branche, dass man sich so stark am Kunden bzw. Mandanten orientiert, meinst du, dass ist ein spezieller Ansatz, der von euch kam?
Auf jeden Fall. Unsere Idee war es anfangs, dass der Mandant sein Problem beschreibt, von Anwälten Angebote bekommt und sich dann das beste Angebot heraussucht. Nach einem Jahr haben wir unser Produkt dann evaluiert und sind zu dem Entschluss gekommen, dass das ein paar Schritte zu viel waren. Endergebnis der Evaluation war eine so standardisierte Dienstleistung, dass man sie, wie in einem Onlineshop, einfach kaufen kann, wie etwa Turnschuhe oder Pullover. Wir begannen, Beratungspakete z.B. eine Vertragsprüfung für 100 Euro oder eine Beratung im Familienrecht für 70 Euro anzubieten. Wir schnürten die Beratungspakete für die verschiedensten Konstellationen, sodass schließlich über 160 Pakete zusammenkamen. Anfänglich haben sich die Anwälte eher unwohl gefühlt und uns gesagt, dass man das in der Branche so gar nicht aufziehen könnte. Aber wie man sieht, ist die Standardisierung möglich und auf den Kunden anpassbar. Wenn das Produkt aber zu kompliziert und nischig wird, passt es auch für uns nicht mehr. Es gab jedoch viele, viele Fälle, in denen eine Standardisierung möglich und sinnvoll war.
 
Das kann man dann wohl in die frühe Phase des neu aufkommenden Begriffs „Legal Tech“ einordnen.
Genau, ich persönlich unterscheide Legal Tech in vier verschiedene Phasen: Legal Tech 1.0 befasst sich damit, im Internet gefunden zu werden. Vorreiter sind in dem Bereich frag-einen-anwalt oder anwalt.de, wobei frag-einen-anwalt eigentlich die Kopie aus Amerika von JustAnswer war, nur auf rechtliche Themen spezialisiert und um bereits 2004/2005 einzelne beantwortete rechtliche Fragen von Mandanten zu veröffentlichen. Legal Tech 2.0 ist die Vereinfachung von Workflow, die dem Anwalt durch Technik hilft, alltägliche Prozesse wie z.B. die Zahlung durch den Mandanten, zu optimieren. Legal Tech 3.0 befasst sich damit, dass standardisierbare Themen von einer KI (künstlichen Intelligenz) oder einem Bot abgewickelt werden und so Teilbereiche der anwaltlichen Tätigkeit über Maschinen laufen. Die letzte Phase, Legal Tech 4.0, ist der Traum Vieler in dem Bereich, dass ein „Roboanwalt“ existiert, der den Fall des Mandanten ohne menschliche Hilfe löst. Gedanklich wird bereits lange daran gearbeitet, von der Realisierung her sehe ich das erst in 20 bis 30 Jahren.
 
Du bist ja jetzt mit lawpilots wieder im Bereich Legal Tech unterwegs, davor hast du aber auch noch ein anderes Startup in dem Bereich angestoßen.
Als ich noch aktiv Jurato gemacht habe, kam damals der Ideengeber von VISARIGHT Andreas Kopysov auf mich zu und wollte mich kennenlernen. Er hat mir von seiner Idee erzählt, das ganze Thema rund um Visaverfahren zu digitalisieren. Das fand ich spannend, weil so ein nischiges Spezialthema war, was nicht zu meinen bisherigen Startups passte. Neben meiner Beteiligung kam dann auch relativ schnell ein Investor dazu, den ich hinzu geholt habe und zu dritt haben wir 2018 gegründet. Thematisch befassen wir uns damit, Unternehmen bei der Beantragung von Visa zu unterstützen und bauen eine Software, die wir dem Kunden anbieten wollen, damit das Unternehmen direkt im Visaverfahren unterstützt werden kann. Die ersten Kunden kamen nach unserer Gründung relativ schnell und mittlerweile dürfen wir Kunden wie Personio und FREE NOW dazu zählen. Normalerweise dauert das Verfahren über eine Agentur mindestens ein paar Wochen, im Worst Case ein paar Monate und kostet circa das doppelte Brutto-Monatsgehalt des Mitarbeiters. Bei uns kostet das Verfahren nach dem Flatrate-Prinzip 500 Euro und ist in ein paar Stunden, maximal in ein paar Tagen durch. Die Kunden können es kaum glauben, dass es bei uns so schnell und günstig geht. Andreas hat aber vorher über zehn Jahre in der deutschen Botschaft bzw. beim Auswärtigen Amt gearbeitet und kennt die Prozesse sehr gut, sodass wir sein Wissen über das Verfahren in die Software integrieren konnten und so der Konkurrenz weit voraus waren.
 
Das hört sich so an, als würde dich Legal Tech den ganzen Tag begleiten. Wie schaltest du ab und kommst mal auf andere Themen und Gedanken?
Ich bin ein großer Sportler und habe noch eine andere Firma gegründet, die vor drei Jahren entstand. Motor Brothers Mongolia, bietet Adventure Travel an und hat ihren Sitz in der Mongolei. Ich bin damals durch das Land gereist und habe zwei Leute kennengelernt, mit denen ich die Firma zusammen gründete. Mittlerweile sind wir gut ausgestattet mit über 20 Geländemotorrädern, 6 Hammer-Jeeps und 6 Can-Ams. Mit dem Auto oder dem Motorrad kann man so die ganze Mongolei erkunden und das selbst und nicht wie bei anderen Anbietern nur mit Fahrer. Die Resonanz ist sehr gut, den Leuten macht es unglaublich viel Spaß. Ich bin auch ein bis zweimal im Jahr dort, mein Ausgleich neben den Legal Tech-Firmen. Damit habe ich meine Passion zum Beruf gemacht: Ich komme vom Land und fahre seitdem ich fünf Jahre alt bin Motocross. Dieses Jahr bin ich auch die ersten internationalen Rennen gefahren, die sehr erfolgreich waren. Sie bieten den kompletten Ausgleich zu meinem sonstigen Alltag. Stundenlang hochkonzentriert auf dem Motorrad, wobei man komplett abschalten, die Büroangelegenheiten vergessen kann und gleichzeitig neuen Input bekommt. Die Rennen sind dem Gründerleben sehr ähnlich, stundenlang fährt man durch das Gelände, es ist unglaublich kräftezehrend und wenn man denkt, man kann nicht mehr, holt man immer noch mehr aus sich heraus. Am Ende hält man die Medaille in der Hand als Belohnung. Genau diese Situation hat man als Gründer auch, wenn man sich für seine Idee aufopfert und zum Schluss Erfolge sieht, nachdem man seine Firma aus dem Nichts aufgebaut hat.
 
Das klingt ja so, als würde deine Erfolgssträhne weitergehen, denn mit der lawpilots GmbH läuft es auch recht gut. Was machst du denn bei und mit lawpilots?
Seit Anfang des Jahres bin ich Managing Director neben den ursprünglichen Gründern, die 2017 gegründet haben. Wir bieten E-Learnings im regulatorisch-rechtlichen Bereich an. Datenschutz, Informationssicherheit, Compliance und Arbeitsschutz, sind unsere großen vier Bereiche. Angeboten werden mittlerweile über 26 Kurse in 30 verschiedenen Länder- und Sprachversionen. In den letzten Jahren haben wir es geschafft, dem Arbeitnehmer die Thematik mit Spaß zu vermitteln, sodass bei ihm wirklich Wissen hängen bleibt und die Schulung einen großen Mehrwert bringt. Vom Konzept her kommen Unternehmen auf uns zu, wenn sie durch die Datenschutz-Grundverordnung, die 2018 in Kraft getreten ist, Schulungen durchführen müssen. Wir stellen den Mitarbeitern Kurse zur Verfügung, damit sie für alle digitalen Bereiche gewappnet sind. Thematisch befasst man sich mit praxisrelevanten Fragen, wie z.B. Daten von A nach B geschickt werden oder worauf genau im Büro oder im Alltag im Bereich Datenschutz zu achten ist. Unser Konzept scheint gut anzukommen: In den letzten beiden Jahren sind wir stark gewachsen, profitabel und dürfen privatwirtschaftliche Unternehmen wie Alnatura und Mazda, aber auch öffentliche Einrichtungen und Vereine zu unseren Kunden zählen. 


 
Die DSGVO ist immer noch Thema und international entwickeln sich auf der DSGVO beruhende Konzepte zum Datenschutz. Habt ihr in den nächsten Monaten auch vor, euch internationaler aufzustellen?
Gut, dass du es ansprichst. Wir sind ganz euphorisch. Uns erreichte vor kurzem die Nachricht, dass wir Teil des German Accelerator sein dürfen, nach Kalifornien gehen werden und dort eine Schulung zum California Consumer Privacy Act (CCPA) anbieten, welcher sich sehr stark an der DSGVO orientiert. Die Unternehmer sind dazu verpflichtet, ihre Mitarbeiter zu schulen, wobei nicht nur Firmen mit Sitz in Kalifornien betroffen sind, sondern alle, die Kunden in Kalifornien haben. Ich werde vor Ort sein und unser Büro aufbauen, sodass wir direkt in den Markt einsteigen können. Der Einstieg wird wahrscheinlich durch einen Investor erleichtert. Bisher waren wir komplett eigenfinanziert, durch die Wachstumsmöglichkeit ist es aber sinnvoll, sich extern einen Investor zu suchen. Wir suchen jemanden, der zu uns passt. Bisher sind wir in Gesprächen und hoffen bis Ende 2019 jemanden gefunden zu haben, sodass unserem Weg nach Kalifornien nichts mehr im Weg steht. Ich denke, dass Kalifornien der Bundesstaat ist, der mit dem Datenschutz startet und die anderen Bundesstaaten nachziehen werden. Der deutsche Datenschutz hat Vorbildfunktion. Die Welt orientiert sich an Europa und adaptiert das System. Immer mehr Länder führen Datenschutzverordnungen ein, wie etwa Südafrika und wohl auch Indien.
 
Und das trotz der großen Kritik an der DSGVO.
Große Kritik gibt es. Durch eine Studie von JUVE kam raus, dass etwa nur ein Drittel der deutschen Unternehmen sowohl technisch als auch personell-organisatorisch datenschutzrechtlich konform aufgestellt sind. Viele Unternehmen wissen gar nicht, dass sie ihre Mitarbeiter schulen müssen, dabei ist bei ca. 90 Prozent der Verstöße der Mitarbeiter schuld, entweder durch mangelndes Verständnis oder Gedankenlosigkeit. Wenn dann aber eine Prüfung stattfindet, kann sich der Geschäftsführer nicht auf Schulungen berufen, denn diese müssen so sein, dass der Mitarbeiter wirklich für den Datenschutz sensibilisiert wird und das Gelernte anwenden kann. Genau da sehen wir unsere Chance und das Potenzial, juristische Themen und Gesetze so aufzuarbeiten, dass sie verständlich sind.
 
Du hast viel Erfahrung, was das Gründerleben angeht. Was sind denn Dinge, die du heute rückblickend anders gemacht hättest und was gab es bei dir für Problemstellungen?
Wir haben damals viel Geschwindigkeit mit der Gründung verloren, weil wir gar nicht wussten, wie bestimmte Prozesse ablaufen: Was braucht man zu welchem Zeitpunkt? Welche Vertragsart wird in welcher Situation genutzt? Was sind Vesting-Verträge? Ich musste damals ins kalte Wasser springen, aber mit der Zeit kann man die Standardsachen. In meinen anderen Gründungen habe ich gemerkt, dass ich alles an Vertragsarten schon einmal gesehen hab und weiß, worauf es ankommt. Ausschlaggebend ist aber auch, mit wem man gründet. Das Team ist ein wahnsinnig wichtiges Thema. Man braucht nicht nur Leute, die sich für die Idee aufopfern, sondern es muss auch von der Konstellation her passen. Aufopfern heißt nicht, bis spät nachts an der Sache zu sitzen, sondern schnell herauszufinden, ob die Idee profitabel ist, wirklichen Bestand haben kann und dann Geschwindigkeit aufzunehmen um mit der Sache an den Markt zu gehen.
 
Glaubst du denn, dass sich das Thema Gründung und das Gründungsklima in den Jahren verändert hat?
Ja, es hat sich definitiv verändert. Ich lerne immer mehr junge Leute kennen, die unglaublich für ihre Sache brennen. Teilweise sind sie gerade erst volljährig und stellen schon ganze Firmen auf die Beine. Das zeigt mir, dass das Thema Gründung wirklich sehr präsent ist und die Leute ambitioniert sind, sich sogar während der Schule thematisch damit befassen. Zu meiner Zeit war Rocket Internet der Vorreiter und es ging gerade erst los. Vorwürfe gab es damals, dass vieles „Copycat“-mäßig aus Amerika übernommen und für den deutschen Markt adaptiert wurde. Das Klima ist nach wie vor positiv, aber die Investoren sind etwas skeptischer geworden. Früher gab es mehr Geld für Themen, die noch nicht voll durchdacht waren, während heute der Pitch härter geworden ist. Geschäftsmodelle werden komplett durchleuchtet, um zu schauen, ob es auch wirklich profitabel ist. Auch durch den Brexit sind viele internationale Investoren nach Berlin gekommen, sodass das Geld prinzipiell da ist, aber nicht so schnell verteilt wird wie früher.  Es ist definitiv härter geworden und man muss die Hosen mehr runterlassen als damals.
 

 


Hast du irgendwelche Hacks, die du an zukünftige Gründer weitergeben würdest? Ich hab in einem anderen Podcast gehört, dass ihr, als ihr an Anwälte herangetreten seid, z.B. wieder auf Briefe umgestellt habt.
Anwälte haben damals alles an Mailverkehr abgeblockt und wir haben uns an die Zielgruppe angepasst und sind wieder auf Briefe umgestiegen, die durch die persönliche Unterschrift eine ganz besondere Note bekommen haben. Das Gegenüber hat sich so persönlich angesprochen gefühlt. Sich seine Zielgruppe und auch den Markt genau anzuschauen, ist unglaublich wichtig. Man muss erst testen, vielleicht die ersten Landingpages fahren und mit potenziellen Kunden sprechen. Viele Startups vertrödeln Zeit, in dem sie sich zu lange abstrakt im Büro mit dem Produkt beschäftigen, statt es auf die Straße zu bringen und am Kunden zu testen. Deswegen bin ich ein großer Fan von MVP (Minimum Viable Product), um einfach zu schauen, wie Kunden reagieren, ob der Markt überhaupt besteht und dann daraus Resultate zu ziehen, mit denen man weiterarbeiten kann. Schnell rausgehen, zeigen, dass man keine Angst hat und nicht zu viel Zeit mit PowerPoint und Flipcharts zu verbringen. Etwas zu schnell zu bewerkstelligen, ist aber auch nicht immer die beste Lösung, um dann Angelegenheiten zu überstürzen, aber sobald man sich sicher fühlt, sollte man sich trauen mit der Sache raus zu gehen. 

 

Hier kannst du den Podcast anhören:

Raketenstart Podcast Bülow lawpilots
Im interview

Philipp von Bülow

Managing Director bei Lawpilots & Gründer von jurato

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Hinweis: Das Interview ist eine schriftlich gefasste Form der Raketenstart-Podcastfolge mit Philipp. Es handelt sich nicht um 1-zu-1-Zitate.
 
Hallo Philipp, vielleicht magst du damit anfangen, wer du bist & dann einen Überblick zu deinem persönlichen Gründerwerdegang geben.
Wo soll ich da nur anfangen? Ursprünglich habe ich Betriebswirtschaft in Berlin studiert. Eigentlich wollte ich zum Film, habe aber damals schon, also 2005, gemerkt, dass in der Filmbranche die Luft raus ist. Weil ich dachte, dass man mit Betriebswirtschaft am Ende mehr anfangen kann, als wenn man auf der Schauspielschule war, habe ich mich für BWL entschieden. Neben dem Studium habe ich dann angefangen, im Film zu arbeiten, um so meine Leidenschaft einbinden und mir am Wochenende etwas dazu verdienen zu können. Im Anschluss bin ich nach Kopenhagen gegangen, wo ich durch Case Studies gemerkt habe, dass BWL tatsächlich Spaß machen kann. In Kopenhagen habe ich ein Stipendium bekommen, das mich anschließend nach Mailand verschlagen hat. Italien war eine wirklich spannende Zeit, in der ich meinen zweiten Master gemacht und meinen ersten kleinen Job bekommen habe. In dem Startup einer Freundin „kids4trees“ haben wir Spielplätze für Kinder konzipiert und gebaut. Über Umwege bin ich zurück nach Berlin gekommen durch ein Angebot von Rocket Internet und dann die GLOSSYBOX mit aufgebaut.

Was kann man sich unter der GLOSSYBOX vorstellen?
GLOSSYBOX ist eine monatliche Beautybox mit 5 bis 6 Samples von namhaften Herstellern. Von Lippenstift über Make-up und Parfum hin bis zu Shampoo kann in der Box alles Mögliche enthalten sein. Gefällt der Kundin das Produkt, kann sie über den Hersteller selber oder durch den Onlineshop das Fullsize-Produkt kaufen. Um den richtigen Geschmack jeder Kundin zu treffen, erfragen wir durch Beautyprofile die Wünsche und Produktvorlieben, woraufhin eine Custom-Made Box zugestellt wird. Insgesamt hatten wir über 250.000 Kundinnen. Die männliche Zielgruppe haben wir mit GLOSSYBOX MEN aufgegriffen und unseren weltweiten 50.000 männlichen Kunden eine vierteljährliche Box zusammengestellt, die Produkte wie Aftershave, Duschgel oder Haarwachs enthielt.
 
Beauty ist ja nicht gerade ein Standardthema für männliche Unternehmer, wie bist du denn bei der GLOSSYBOX gelandet?
Ein Freund von mir war der Gründer und hat mich dann gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mitzumachen. Ich war einer der ersten Mitarbeiter und habe mich anfangs um den Vertrieb gekümmert. Später wurde GLOSSYBOX MEN dann zu meiner Hauptaufgabe. In der Zeit, in der ich bei GLOSSYBOX war, konnte ich sehr viel sehen und Gründerluft schnuppern. Bei Rocket Internet kann man die „andere“ Gründerwelt gut verfolgen. Viel Geld, viel Organisation und ganz anders, als wenn man selbst gründet, bootstrapped und Sachen auf die Straße bringt. Die zwei Jahre bei GLOSSYBOX, als auch die beiden Jahre bei Rocket Internet waren eine unglaubliche Zeit, in der ich gemerkt habe, das Gründen mir Spaß machen könnte und so kam es 2013 zu der Entscheidung, mich mit Jurato selbstständig zu machen.

Jurato ist eine Plattform für die Vermittlung und Verwaltung von Rechtsfällen. Auf die Idee gekommen bin ich auch wieder über Umwege. Zusammen mit einem Freund, der zu der Zeit Jura studiert hat, habe ich festgestellt, dass es keine Plattform gibt, auf der man einen Anwalt direkt beauftragen kann. Es gab Plattformen, wo man Anwaltsprofile zwar sehen konnte, aber nicht bewerten. Man musste anrufen oder persönlich aufschlagen, um sich ein Bild von Anwalt und Preis zu machen. Wir dachten uns, dass es eine Lösung geben müsse, dem Anwalt direkt sein Anliegen zu schildern und einen Preisvorschlag zu erhalten. Der ProSiebenSat.1 Accelerator wurde schon zu Beginn auf uns aufmerksam und wir zogen nach München auf den Campus. Dort haben wir das Produkt entwickelt. In der Zeit haben wir sehr viel gelernt, auch wenn nicht immer alles richtig gelaufen ist. Wir haben dann nach über sechs Jahren, Anfang 2018, die Firma an anwalt.de verkauft. Mit dem Verkauf der Firma habe ich eine Stelle dort angenommen und war dafür zuständig, dass unser Programm lückenlos in das Programm von anwalt.de überführt wird, bevor ich dann 2019 ausgestiegen bin.

 
Hast du das Gefühl, dass deine Zeit bei Rocket Internet und die Impulse, die du dort mitnehmen konntest, dir einen Vorteil verschafft haben?
Oli Samwer, den man in der Szene kennt, hat uns damals betreut. Dadurch habe ich gelernt, wie man schnell Themen auffasst und so bearbeitet, dass sie schnell skalierfähig sind und auf den Markt gebracht werden können. Zu meinen ersten Gründungen kann ich jetzt rückblickend sagen, dass ich viel zu viel Zeit in kleine Sachen und Details gesteckt habe. Mit jedem Mal wird man aber besser, man weiß, worauf es ankommt und hält sich nicht mehr mit Kleinigkeiten auf. Man beschäftigt sich nicht mehr mit Einzelverträgen, sondern hat sie schon in der Schublade liegen und kennt die Leute, die die Themen schneller auf die Straße bringen. Im ersten Jahr waren wir knapp 20 Leute, im Jahr darauf schon über 200. Deswegen würde ich schon sagen, dass ich gute Einblicke in diese Welt bekommen konnte. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass dies nur möglich war, weil so viel Geld hinter Rocket Internet steht. Das normale Gründerleben sieht nicht so aus. Man nimmt vor allem den Speed und die Professionalität mit.
 
Wie läuft denn ein Exit an eine andere Firma wie anwalt.de ab?
Wir haben ca. drei Monate darüber verhandelt, ob es passt, was passt, wie wir es über die Bühne bringen, was übernommen wird und was nicht. Die Idee war, dass ich mit ins Management von anwalt.de gehe. Meine beiden Mitgründer waren damals nicht mehr aktiv im Management von Jurato. Alexander Gloning ist zurück nach München gegangen und hat dort eine Familie gegründet. Der andere Philipp Venohr, hat immer nur Beratung gemacht und war nie aktiv im Management. Thematisch haben wir viel über die Kundenübernahme gesprochen, sodass Jurato-Kunden anwalt.de mitnutzen können und umgekehrt, aber auch Service, Marketing und Vertrieb besprochen, sodass nun alles über anwalt.de läuft.
 
Es erscheint ja eher ungewöhnlich in der juristischen Branche, dass man sich so stark am Kunden bzw. Mandanten orientiert, meinst du, dass ist ein spezieller Ansatz, der von euch kam?
Auf jeden Fall. Unsere Idee war es anfangs, dass der Mandant sein Problem beschreibt, von Anwälten Angebote bekommt und sich dann das beste Angebot heraussucht. Nach einem Jahr haben wir unser Produkt dann evaluiert und sind zu dem Entschluss gekommen, dass das ein paar Schritte zu viel waren. Endergebnis der Evaluation war eine so standardisierte Dienstleistung, dass man sie, wie in einem Onlineshop, einfach kaufen kann, wie etwa Turnschuhe oder Pullover. Wir begannen, Beratungspakete z.B. eine Vertragsprüfung für 100 Euro oder eine Beratung im Familienrecht für 70 Euro anzubieten. Wir schnürten die Beratungspakete für die verschiedensten Konstellationen, sodass schließlich über 160 Pakete zusammenkamen. Anfänglich haben sich die Anwälte eher unwohl gefühlt und uns gesagt, dass man das in der Branche so gar nicht aufziehen könnte. Aber wie man sieht, ist die Standardisierung möglich und auf den Kunden anpassbar. Wenn das Produkt aber zu kompliziert und nischig wird, passt es auch für uns nicht mehr. Es gab jedoch viele, viele Fälle, in denen eine Standardisierung möglich und sinnvoll war.
 
Das kann man dann wohl in die frühe Phase des neu aufkommenden Begriffs „Legal Tech“ einordnen.
Genau, ich persönlich unterscheide Legal Tech in vier verschiedene Phasen: Legal Tech 1.0 befasst sich damit, im Internet gefunden zu werden. Vorreiter sind in dem Bereich frag-einen-anwalt oder anwalt.de, wobei frag-einen-anwalt eigentlich die Kopie aus Amerika von JustAnswer war, nur auf rechtliche Themen spezialisiert und um bereits 2004/2005 einzelne beantwortete rechtliche Fragen von Mandanten zu veröffentlichen. Legal Tech 2.0 ist die Vereinfachung von Workflow, die dem Anwalt durch Technik hilft, alltägliche Prozesse wie z.B. die Zahlung durch den Mandanten, zu optimieren. Legal Tech 3.0 befasst sich damit, dass standardisierbare Themen von einer KI (künstlichen Intelligenz) oder einem Bot abgewickelt werden und so Teilbereiche der anwaltlichen Tätigkeit über Maschinen laufen. Die letzte Phase, Legal Tech 4.0, ist der Traum Vieler in dem Bereich, dass ein „Roboanwalt“ existiert, der den Fall des Mandanten ohne menschliche Hilfe löst. Gedanklich wird bereits lange daran gearbeitet, von der Realisierung her sehe ich das erst in 20 bis 30 Jahren.
 
Du bist ja jetzt mit lawpilots wieder im Bereich Legal Tech unterwegs, davor hast du aber auch noch ein anderes Startup in dem Bereich angestoßen.
Als ich noch aktiv Jurato gemacht habe, kam damals der Ideengeber von VISARIGHT Andreas Kopysov auf mich zu und wollte mich kennenlernen. Er hat mir von seiner Idee erzählt, das ganze Thema rund um Visaverfahren zu digitalisieren. Das fand ich spannend, weil so ein nischiges Spezialthema war, was nicht zu meinen bisherigen Startups passte. Neben meiner Beteiligung kam dann auch relativ schnell ein Investor dazu, den ich hinzu geholt habe und zu dritt haben wir 2018 gegründet. Thematisch befassen wir uns damit, Unternehmen bei der Beantragung von Visa zu unterstützen und bauen eine Software, die wir dem Kunden anbieten wollen, damit das Unternehmen direkt im Visaverfahren unterstützt werden kann. Die ersten Kunden kamen nach unserer Gründung relativ schnell und mittlerweile dürfen wir Kunden wie Personio und FREE NOW dazu zählen. Normalerweise dauert das Verfahren über eine Agentur mindestens ein paar Wochen, im Worst Case ein paar Monate und kostet circa das doppelte Brutto-Monatsgehalt des Mitarbeiters. Bei uns kostet das Verfahren nach dem Flatrate-Prinzip 500 Euro und ist in ein paar Stunden, maximal in ein paar Tagen durch. Die Kunden können es kaum glauben, dass es bei uns so schnell und günstig geht. Andreas hat aber vorher über zehn Jahre in der deutschen Botschaft bzw. beim Auswärtigen Amt gearbeitet und kennt die Prozesse sehr gut, sodass wir sein Wissen über das Verfahren in die Software integrieren konnten und so der Konkurrenz weit voraus waren.
 
Das hört sich so an, als würde dich Legal Tech den ganzen Tag begleiten. Wie schaltest du ab und kommst mal auf andere Themen und Gedanken?
Ich bin ein großer Sportler und habe noch eine andere Firma gegründet, die vor drei Jahren entstand. Motor Brothers Mongolia, bietet Adventure Travel an und hat ihren Sitz in der Mongolei. Ich bin damals durch das Land gereist und habe zwei Leute kennengelernt, mit denen ich die Firma zusammen gründete. Mittlerweile sind wir gut ausgestattet mit über 20 Geländemotorrädern, 6 Hammer-Jeeps und 6 Can-Ams. Mit dem Auto oder dem Motorrad kann man so die ganze Mongolei erkunden und das selbst und nicht wie bei anderen Anbietern nur mit Fahrer. Die Resonanz ist sehr gut, den Leuten macht es unglaublich viel Spaß. Ich bin auch ein bis zweimal im Jahr dort, mein Ausgleich neben den Legal Tech-Firmen. Damit habe ich meine Passion zum Beruf gemacht: Ich komme vom Land und fahre seitdem ich fünf Jahre alt bin Motocross. Dieses Jahr bin ich auch die ersten internationalen Rennen gefahren, die sehr erfolgreich waren. Sie bieten den kompletten Ausgleich zu meinem sonstigen Alltag. Stundenlang hochkonzentriert auf dem Motorrad, wobei man komplett abschalten, die Büroangelegenheiten vergessen kann und gleichzeitig neuen Input bekommt. Die Rennen sind dem Gründerleben sehr ähnlich, stundenlang fährt man durch das Gelände, es ist unglaublich kräftezehrend und wenn man denkt, man kann nicht mehr, holt man immer noch mehr aus sich heraus. Am Ende hält man die Medaille in der Hand als Belohnung. Genau diese Situation hat man als Gründer auch, wenn man sich für seine Idee aufopfert und zum Schluss Erfolge sieht, nachdem man seine Firma aus dem Nichts aufgebaut hat.
 
Das klingt ja so, als würde deine Erfolgssträhne weitergehen, denn mit der lawpilots GmbH läuft es auch recht gut. Was machst du denn bei und mit lawpilots?
Seit Anfang des Jahres bin ich Managing Director neben den ursprünglichen Gründern, die 2017 gegründet haben. Wir bieten E-Learnings im regulatorisch-rechtlichen Bereich an. Datenschutz, Informationssicherheit, Compliance und Arbeitsschutz, sind unsere großen vier Bereiche. Angeboten werden mittlerweile über 26 Kurse in 30 verschiedenen Länder- und Sprachversionen. In den letzten Jahren haben wir es geschafft, dem Arbeitnehmer die Thematik mit Spaß zu vermitteln, sodass bei ihm wirklich Wissen hängen bleibt und die Schulung einen großen Mehrwert bringt. Vom Konzept her kommen Unternehmen auf uns zu, wenn sie durch die Datenschutz-Grundverordnung, die 2018 in Kraft getreten ist, Schulungen durchführen müssen. Wir stellen den Mitarbeitern Kurse zur Verfügung, damit sie für alle digitalen Bereiche gewappnet sind. Thematisch befasst man sich mit praxisrelevanten Fragen, wie z.B. Daten von A nach B geschickt werden oder worauf genau im Büro oder im Alltag im Bereich Datenschutz zu achten ist. Unser Konzept scheint gut anzukommen: In den letzten beiden Jahren sind wir stark gewachsen, profitabel und dürfen privatwirtschaftliche Unternehmen wie Alnatura und Mazda, aber auch öffentliche Einrichtungen und Vereine zu unseren Kunden zählen. 


 
Die DSGVO ist immer noch Thema und international entwickeln sich auf der DSGVO beruhende Konzepte zum Datenschutz. Habt ihr in den nächsten Monaten auch vor, euch internationaler aufzustellen?
Gut, dass du es ansprichst. Wir sind ganz euphorisch. Uns erreichte vor kurzem die Nachricht, dass wir Teil des German Accelerator sein dürfen, nach Kalifornien gehen werden und dort eine Schulung zum California Consumer Privacy Act (CCPA) anbieten, welcher sich sehr stark an der DSGVO orientiert. Die Unternehmer sind dazu verpflichtet, ihre Mitarbeiter zu schulen, wobei nicht nur Firmen mit Sitz in Kalifornien betroffen sind, sondern alle, die Kunden in Kalifornien haben. Ich werde vor Ort sein und unser Büro aufbauen, sodass wir direkt in den Markt einsteigen können. Der Einstieg wird wahrscheinlich durch einen Investor erleichtert. Bisher waren wir komplett eigenfinanziert, durch die Wachstumsmöglichkeit ist es aber sinnvoll, sich extern einen Investor zu suchen. Wir suchen jemanden, der zu uns passt. Bisher sind wir in Gesprächen und hoffen bis Ende 2019 jemanden gefunden zu haben, sodass unserem Weg nach Kalifornien nichts mehr im Weg steht. Ich denke, dass Kalifornien der Bundesstaat ist, der mit dem Datenschutz startet und die anderen Bundesstaaten nachziehen werden. Der deutsche Datenschutz hat Vorbildfunktion. Die Welt orientiert sich an Europa und adaptiert das System. Immer mehr Länder führen Datenschutzverordnungen ein, wie etwa Südafrika und wohl auch Indien.
 
Und das trotz der großen Kritik an der DSGVO.
Große Kritik gibt es. Durch eine Studie von JUVE kam raus, dass etwa nur ein Drittel der deutschen Unternehmen sowohl technisch als auch personell-organisatorisch datenschutzrechtlich konform aufgestellt sind. Viele Unternehmen wissen gar nicht, dass sie ihre Mitarbeiter schulen müssen, dabei ist bei ca. 90 Prozent der Verstöße der Mitarbeiter schuld, entweder durch mangelndes Verständnis oder Gedankenlosigkeit. Wenn dann aber eine Prüfung stattfindet, kann sich der Geschäftsführer nicht auf Schulungen berufen, denn diese müssen so sein, dass der Mitarbeiter wirklich für den Datenschutz sensibilisiert wird und das Gelernte anwenden kann. Genau da sehen wir unsere Chance und das Potenzial, juristische Themen und Gesetze so aufzuarbeiten, dass sie verständlich sind.
 
Du hast viel Erfahrung, was das Gründerleben angeht. Was sind denn Dinge, die du heute rückblickend anders gemacht hättest und was gab es bei dir für Problemstellungen?
Wir haben damals viel Geschwindigkeit mit der Gründung verloren, weil wir gar nicht wussten, wie bestimmte Prozesse ablaufen: Was braucht man zu welchem Zeitpunkt? Welche Vertragsart wird in welcher Situation genutzt? Was sind Vesting-Verträge? Ich musste damals ins kalte Wasser springen, aber mit der Zeit kann man die Standardsachen. In meinen anderen Gründungen habe ich gemerkt, dass ich alles an Vertragsarten schon einmal gesehen hab und weiß, worauf es ankommt. Ausschlaggebend ist aber auch, mit wem man gründet. Das Team ist ein wahnsinnig wichtiges Thema. Man braucht nicht nur Leute, die sich für die Idee aufopfern, sondern es muss auch von der Konstellation her passen. Aufopfern heißt nicht, bis spät nachts an der Sache zu sitzen, sondern schnell herauszufinden, ob die Idee profitabel ist, wirklichen Bestand haben kann und dann Geschwindigkeit aufzunehmen um mit der Sache an den Markt zu gehen.
 
Glaubst du denn, dass sich das Thema Gründung und das Gründungsklima in den Jahren verändert hat?
Ja, es hat sich definitiv verändert. Ich lerne immer mehr junge Leute kennen, die unglaublich für ihre Sache brennen. Teilweise sind sie gerade erst volljährig und stellen schon ganze Firmen auf die Beine. Das zeigt mir, dass das Thema Gründung wirklich sehr präsent ist und die Leute ambitioniert sind, sich sogar während der Schule thematisch damit befassen. Zu meiner Zeit war Rocket Internet der Vorreiter und es ging gerade erst los. Vorwürfe gab es damals, dass vieles „Copycat“-mäßig aus Amerika übernommen und für den deutschen Markt adaptiert wurde. Das Klima ist nach wie vor positiv, aber die Investoren sind etwas skeptischer geworden. Früher gab es mehr Geld für Themen, die noch nicht voll durchdacht waren, während heute der Pitch härter geworden ist. Geschäftsmodelle werden komplett durchleuchtet, um zu schauen, ob es auch wirklich profitabel ist. Auch durch den Brexit sind viele internationale Investoren nach Berlin gekommen, sodass das Geld prinzipiell da ist, aber nicht so schnell verteilt wird wie früher.  Es ist definitiv härter geworden und man muss die Hosen mehr runterlassen als damals.
 

 


Hast du irgendwelche Hacks, die du an zukünftige Gründer weitergeben würdest? Ich hab in einem anderen Podcast gehört, dass ihr, als ihr an Anwälte herangetreten seid, z.B. wieder auf Briefe umgestellt habt.
Anwälte haben damals alles an Mailverkehr abgeblockt und wir haben uns an die Zielgruppe angepasst und sind wieder auf Briefe umgestiegen, die durch die persönliche Unterschrift eine ganz besondere Note bekommen haben. Das Gegenüber hat sich so persönlich angesprochen gefühlt. Sich seine Zielgruppe und auch den Markt genau anzuschauen, ist unglaublich wichtig. Man muss erst testen, vielleicht die ersten Landingpages fahren und mit potenziellen Kunden sprechen. Viele Startups vertrödeln Zeit, in dem sie sich zu lange abstrakt im Büro mit dem Produkt beschäftigen, statt es auf die Straße zu bringen und am Kunden zu testen. Deswegen bin ich ein großer Fan von MVP (Minimum Viable Product), um einfach zu schauen, wie Kunden reagieren, ob der Markt überhaupt besteht und dann daraus Resultate zu ziehen, mit denen man weiterarbeiten kann. Schnell rausgehen, zeigen, dass man keine Angst hat und nicht zu viel Zeit mit PowerPoint und Flipcharts zu verbringen. Etwas zu schnell zu bewerkstelligen, ist aber auch nicht immer die beste Lösung, um dann Angelegenheiten zu überstürzen, aber sobald man sich sicher fühlt, sollte man sich trauen mit der Sache raus zu gehen. 

 

Hier kannst du den Podcast anhören:

Raketenstart Podcast Bülow lawpilots
Im interview

Philipp von Bülow

Managing Director bei Lawpilots & Gründer von jurato

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