Insolvenzantragspflicht – Das ändert sich ab Oktober

Unbeglichene Rechnungen, Lieferengpässe oder fehlende Kundschaft – auch das sind leider Dinge, die dir als Gründer, Unternehmer oder Selbstständiger im Laufe deiner Geschäftstätigkeit begegnen können. Gerade das Jahr 2020 und insbesondere der Beginn der Corona-Pandemie haben es vielen Unternehmern nicht gerade leicht gemacht und viele von ihnen in finanzielle Engpässe gebracht. Genau das stellte auch der deutsche Gesetzgeber fest und beschloss Anfang des Jahres ein neues Gesetz für die Insolvenzantragspflicht. Es soll die Folgen der Pandemie abzuschwächen: Das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz.
Das covid-19-insolvenzaussetzungsgesetz
Ziel der Einführung war es, die wirtschaftlichen Schäden durch die Pandemie zu beschränken. Damit soll Unternehmen ein wenig mehr Luft zur Krisenbewältigung verschafft werden. So sah bzw. sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen die Aussetzung der sonst geltenden Insolvenzantragspflicht vor. Nun soll jedoch ab Oktober 2020 die ursprüngliche Antragspflicht wieder aufgenommen werden!
Um dich auch bei diesem Thema abzuholen, weil du dich mit Insolvenzen vielleicht bisher nicht beschäftigt hast, gehen wir einen Schritt zurück. Was ist die Insolvenzantragspflicht überhaupt? Und wann solltest du als Unternehmer gegebenenfalls einen solchen Antrag stellen?
Die Insolvenzgründe
Das deutsche Insolvenzrecht sieht verschiedene Gründe vor, die zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führen können. Dazu gehören die Zahlungsunfähigkeit sowie die Überschuldung.
Zahlungsunfähigkeit
Zahlungsunfähig ist dein Unternehmen dann, wenn es nicht mehr in der Lage ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Vereinfacht gesprochen ist dies der Fall, wenn du die Rechnungen, die du erhalten hast bzw. erhälst, nicht mehr begleichen kannst. Aber keine Sorge: Wenn du mal ein oder zwei Rechnungen nicht direkt bezahlen kannst, bedeutet das nicht automatisch, dass du einen Insolvenzantrag stellen musst!
Damit an dieser Stelle für jeden deutlich ist, wann tatsächlich ein Insolvenzantrag gestellt werden muss, hat die Rechtsprechung folgende Regelung entwickelt. Wenn du in den kommenden 3 Wochen nicht in der Lage bist 90 % deiner fälligen Verbindlichkeiten – sprich Rechnungen etc. – zu bezahlen, musst du einen Insolvenzantrag stellen. In der Praxis findest du das durch folgende Gegenüberstellung heraus:
aktuell fällige Verbindlichkeiten + fällige Verbindlichkeiten der kommenden 3 Wochen / die aktuellen liquiden Mittel + den Zahlungseingängen in den nächsten 3 Wochen
Ergibt sich hier also ein Wert, der unter 90 % liegt – sprich du kannst nur weniger als 90 % deiner fälligen Verbindlichkeiten bedienen – muss zwingend ein Insolvenzantrag gestellt werden!
Überschuldung
Der zweite Grund, wegen dem du ein Insolvenzverfahren auslösen musst, ist in der Praxis etwas komplizierter. Das ist die Überschuldung, gekoppelt mit einer negativen Fortführungsprognose. Anders als bei der Zahlungsunfähigkeit beschreibt die Überschuldung den Zustand, wenn das bestehende Vermögen deines Unternehmens nicht mehr die gleichzeitig bestehenden Verbindlichkeiten deckt. Hier wird auf eine bilanzielle Überschuldung abgestellt. Deshalb solltest du hier auch einen Blick in die Bilanz deines Unternehmens werfen. Hier ein – vereinfachtes – Beispiel zur Veranschaulichung:
Aktiva (in Tsd.) | Passiva (in Tsd.) |
Anlagevermögen (z.B. Maschinen) 100 | Eigenkapital -50 |
Umlaufvermögen 50 | Bankdarlehen 250 |
Bankguthaben 50 | |
Summe 200 | Summe 200 |
Das Vermögen beträgt, laut der abgebildeten Bilanz, 200 Tsd. Euro. Die Schulden (in dem Fall das Bankdarlehen) betragen allerdings 250 Tsd. Euro. Sprich das Eigenkapital ist negativ – wie du es auch in der Bilanz sehen kannst! Für die Feststellung, ob diese bilanzielle Überschuldung bereits eine insolvenzrechtlich relevante Überschuldung darstellt, erfolgt in der Praxis ein zweiter Schritt. Das ist eine Bewertung der Aktivposten zum aktuellen Zeitwert anstatt des Wertes in der Bilanz. Oft sind z.B. Maschinen tatsächlich mehr wert als bilanziell ausgewiesen, sodass bereits die Berücksichtigung solcher stiller Reserven den Wert von Vermögen und somit auch Eigenkapital erhöhen können.
Ergibt die obige Prüfung tatsächlich eine insolvenzrechtlich relevante Überschuldung, brauchst du für die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags zusätzlich eine negative Fortführungsprognose. Es muss unwahrscheinlich sein, dass dein Unternehmen fortgeführt werden kann. Das passiert bspw. weil langfristig die Zahlungsfähigkeit nicht sichergestellt werden kann, es kein schlüssiges Unternehmenskonzept gibt oder du eventuell auch keine Lust an der Fortführung des Unternehmens hast. Spätestens an diesem Punkt ist es ratsam, einen Experten zu engagieren, um die insolvenzrechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Die Insolvenzantragspflicht
Liegt nun einer der hier gerade beschriebenen Insolvenzgründe vor, muss zwingend ein Insolvenzantrag gestellt werden. Betreibst du eine Kapitalgesellschaft, also eine GmbH, UG oder AG, hat diese Pflicht dem Geschäftsführer bzw. Vorstand. Die Antragstellung muss ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber nach 3 Wochen nach Eintritt einer der Insolvenzgründe stattfinden. Die Personengesellschaften (GbR, OHG und KG) trifft demgegenüber grundsätzlich keine Antragspflicht.
Was ergab sich nun durch den Beginn der Corona-Pandemie?
Wie bereits angedeutet, reagierte der Gesetzgeber auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie durch eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die zunächst bis Ende September gelten soll. Aber Vorsicht! Diese Regelung bedeutet nicht bzw. hat auch nie bedeutet, dass die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages vollständig ausgesetzt worden ist. Denn nur unter bestimmten Voraussetzungen greift die Regelung.
So muss die eingetretene Zahlungsunfähigkeit deines Unternehmens auf den Folgen der Corona-Pandemie beruhen und es muss eine positive Prognose bestehen, dass dein Unternehmen bald wieder zahlungsfähig ist. Dass dein Unternehmen diese Voraussetzungen erfüllt, wird vermutet, wenn du bzw. vielmehr dein Unternehmen am Ende des letzten Jahres (also 31. Dezember 2019) noch in der Lage war, die fälligen Zahlungen zu begleichen.
Was passiert nun ab Oktober?
Ab Oktober gilt diese gesetzliche Regelung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nun nicht mehr. Das heißt, es müssen wieder wie zuvor Insolvenzanträge im Falle der Zahlungsunfähigkeit gestellt werden! Gerade, wenn du Geschäftsführer deines Unternehmens bist, solltest du dich jetzt – also unbedingt vor Ablauf der Zeit am 30. September – mit der finanziellen Lage deines Unternehmens befassen und schauen, ob weiterhin eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt oder nicht! Denn, wenn diese immer noch vorliegt und du als Geschäftsführer keinen Insolvenzantrag stellst, können haftungs- und strafrechtliche Folgen auf dich zukommen. Das solltest du unbedingt vermeiden!
Wichtig: Die Wiederaufnahme der Insolvenzantragspflicht bezieht sich nur auf den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit, nicht der Überschuldung! Hier muss weiterhin (bis voraussichtlich Ende des Jahres) kein Insolvenzantrag gestellt werden.
Zusammenfassung
Du siehst, ab Oktober ändert sich wieder einiges und wenn du Geschäftsführer deines Unternehmens bist, solltest du die verbleibende Zeit bis dahin unbedingt nutzen, um die finanzielle Lage deines Unternehmens zu überprüfen!
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Madeleine Heuts
Madeleine Heuts ist Juristin, Gründerin und CEO von RAKETENSTART.
Noch während ihres Jura-Studiums in Bonn stellte Madeleine schnell fest, dass für Nichtjuristen und vor allem Gründer in Deutschland bisher kein umfassender Zugang zu Recht besteht. Um kreative Köpfe und Visionäre bei der Umsetzung ihrer Ideen zu unterstützen, verknüpft Madeleine mit RAKETENSTART neben juristischer Expertise ein feines Gespür für Branding- und Marketingstrategien mit neuen Technologien.