Die Delaware Corporation – einige Fakten zum Mythos

Warum entscheiden sich viele Unternehmen für die Gründung einer Delaware Corporation in den USA? Unser Blogartikel gibt dir Einblicke in die Vorteile von Delaware. 🇺🇸💼 #Unternehmensgründung #DelawareCorporation

Die Delaware Corporation – einige Fakten zum Mythos

Als Gründer hast du möglicherweise im Austausch mit anderen Gründern, die international unterwegs sind, bereits von der „berühmten“ Delaware Corporation gehört. Ja? Dann hast du Dich sicher auch gefragt, ob eine solche Gesellschaft in den USA auch für Dich sinnvoll sein könnte, wenn du mit deinem Unternehmen gern in die USA expandieren möchtest. Denn im kleinen Staat Delaware haben sich über 1 Million Unternehmen registriert. Die meisten von ihnen sind sogar nur als sog. Briefkastenfirma ohne tatsächliche Geschäftsaktivität in Delaware angemeldet.

Was haben die alle davon? Und warum in Delaware?
Diese und einige andere Fragen möchten wir dir in diesem Blogartikel kurz beantworten.

Im Rechts- und Steuersystem der USA gibt es quasi 2 Parallelwelten, nämlich das Bundesrecht und das lokale Recht der einzelnen Staaten. Als zweitkleinster Staat der USA hat sich Delaware über viele Jahrzehnte ein lokales System aufgebaut, das für die Ansiedlung von Unternehmen besonders attraktiv ist. Die wesentlichen Aspekte sind dabei die lokale Besteuerung, die lokalen Gesetze, das Rechtssystem als solches sowie die örtliche Verwaltung.  

Die lokale Besteuerung in Delaware

In den USA haben Unternehmen grundsätzlich Einkommensteuern sowohl an den Bund, als auch an die Einzelstaaten abzuführen. Die Besteuerung durch den Bund beträgt aktuell 21% (bis 2017: 35%) des Gewinns. Die zusätzliche Besteuerung durch die Einzelstaaten ist von Staat zu Staat unterschiedlich geregelt. Das betrifft sowohl die Höhe der Steuer, als auch die Anknüpfungspunkte (also die Voraussetzungen) für eine Besteuerung. Das nennt man auch den sogenannten „tax nexus“.

Delaware erhebt für in Delaware registrierte Unternehmenkeine lokalen Einkommensteuernauf Unternehmensgewinne. Das stellt gegenüber den meisten anderen US-Staaten einen Vorteil dar. Je nach Staat verlangen sie in der Regel zwischen 2,5% und 12%. Die Unternehmensbesteuerung durch den Bund bleibt in allen Fällen hiervon unberührt, sie kommt also noch „on top“.

Ist Delaware somit eine (relative) Steueroase? Die Antwort dazu leutet Jein. Denn das US-Steuersystem ist extrem kompliziert. Bei einer Gesamtbetrachtung aller Steuern, die aufgrund von geschäftlichen Tätigkeiten in den USA zu zahlen sind, muss der Vorteil deshalb in vielen Fällen relativiert werden. Es sind daher primär nicht die Steuern, sondern andere Aspekte, die 60% aller Fortune 500-Unternehmen nach Delaware gelockt haben.

Die lokalen Gesetze

In den USA werden Gesellschaften nach demRecht der jeweiligen Einzelstaatengegründet. Das wäre in Deutschland also gewissermaßen so, als ob Bayern ein anderes GmbH-Recht hätte,als z.B. Nordrhein-Westfalen oder Hessen. Das Gesellschaftsrecht in Delaware ist vergleichsweiseliberal und pragmatisch, wird durch Experten regelmäßig aktualisiert und nach allgemeiner Ansicht weitgehend von der Beeinflussung diverser Lobbygruppen freigehalten. So ist die Gründung einer Delaware Inc. (als Abkürzung für die Delaware Corporation) innerhalb kürzester Zeit möglich. Man benötigt zunächstkein Personal vor Ort. Der Staat selbst (handelnd durch den Delaware Secretary of State) bietet diverse Dienstleistungen an, um alle erdenklichen Situationen effizient und unternehmensfreundlich zu meistern.

Auch einMindestkapital ist nicht erforderlich. Handelnde Personen können sich durch einen Bevollmächtigten Agenten vertreten lassen und somit anonym bleiben. Es herrscht außerdem weitgehende Freiheit in Bezug auf die Ausgestaltung der Gesellschaft und alle notwendigen Officer-Funktionen können durch ein und dieselbe Person besetzt werden. Bedenkt man, dass es sich bei der Delaware Corporation im Kern um das Pendant zur sperrigen deutschen Aktiengesellschaft handelt, bleibt einem glatt die Spucke weg.  

Das lokale Rechtssystem

Wer Gerichtsverfahren in den USA verfolgt, wundert sich häufig über absurd anmutende Prozesse und Urteile. Das liegt zunächst am US-amerikanische „Case Law“-System, das darauf basiert, ergangene Urteile der Vergangenheit zu interpretieren und als Präzedenzfall für neue Urteile heranzuziehen. Hinzu kommt das Laiengerichtssystem, das mit einer Jury aus rechtlich unerfahrenen, oftmals emotional handelnden Geschworenen, Urteile fällt. Die Kombination aus beidem neigt zu extremer Unberechenbarkeit. Unternehmen mögen nichts weniger als diese Unberechenbarkeit, da sie zu schwer kalkulierbaren und mitunter sogar absurden Kosten führen kann. Hier punktet nun Delaware, wo sich das Rechtssystem und die Gerichtsbarkeit durch eine höhere Professionalisierung und vergleichsweise höhere Berechenbarkeit auszeichnen.

Die beiden wesentlichen Gerichte in Delaware sind das Delaware Court of Chancery und das -als übergeordnete Instanz- Delaware Supreme Court. Beide sind mit je 5 professionellen Richtern besetzt, die in unternehmensrechtlichen Fragen äußerst erfahren sind. Laienrichter als „Jury“ findet man hier nicht. Das gewährleistet eine sach- und rechtsorientierte Entscheidungsfindung. Das Rechtssystem selbst basiert in Delaware zwar auch auf dem „Case Law“, allerdings hat sich Delaware im Laufe der Zeit eine hohe Anzahl von anwendbaren, einschlägigen Urteilen erarbeitet. Damit besteht auch hier eine höhere Berechenbarkeit über den wahrscheinlichen Ausgang eines Verfahrens. Diese basieren häufig auf einer in Delaware angewendeten “Business Judgement Rule”.

Danach wird klar abgegrenzt: Zum einen zwischenunternehmerischen, aberrechtlich nicht zu beanstandenden(Fehl)Entscheidungen (auch wenn diese zu hohen Schäden geführt haben). Zum anderen zwischen solchen,wo geltendes Recht gebrochen wurde. Nur in letzteren Fällen nämlich sehen sich die Richter in Delaware in der Pflicht.

Die lokale Verwaltung

Die größte Überraschung für Europäer ist möglicherweise die Effizienz der Politik und der lokalen Verwaltung, wenn es darum geht, den Standort für die Ansiedlung von Unternehmen attraktiv zu machen. Da das Geschäftsmodell des Staates darin besteht, mit Dienstleistungen rund um die Gründung von Unternehmen Umsätze zu erzielen, ist hier eine Infrastruktur entstanden, die ihresgleichen sucht. So habenwichtige Behörden teils 12 bis 15 Stunden am Tag geöffnet, auch an Feiertagen.

Diverse Dienstleister übernehmen Amtshandlungen, erstellen Dokumente, helfen bei Registrierung und Anmeldung des Unternehmenssitzes. Unterfüttert wird das staatliche System mit hochspezialisierten Anwälten, die ihrerseits mit allem vertraut sind und – gegen ein Entgelt – hocheffizient arbeiten. Gründung einer Gesellschaft in Delaware innerhalb 1 Stunde? No problem! Kurz gesprochen – der ganze Gründungsprozess flutscht in Delaware und kostet nicht mehr als eine (ganz kleine) Handvoll Dollar – selbstverständlich auch aus Deutschland heraus.  

Es gibt also einige Dinge, die die Gründung einer Delaware Corporation in den USA besonders interessant machen. Fassen wir noch einmal zusammen:

Delaware bietet
  • keine lokalen Einkommenssteuern auf Unternehmensgewinne (aber im Einzelfall abzuwägen, ob sich das durch das Steuersystem relativiert!)
  • ein liberales und pragmatisches Gesellschaftsrecht, unternehmensfreundliche Dienstleistungen und Abwicklung der Behörden
  • eine recht freie Gestaltung der Gesellschaft
  • eine berechenbarere Rechtsprechung durch professionelle Richter und eine umfangreiche Datenbank an Präzedenzfällen
  • eine gut aufgestellte, effiziente Infrastruktur der lokalen Verwaltung

Ob die Gründung einer Delaware Corporation für Dein Start-Up tatsächlich interessant sein könnte, erfährst Du in einem unserer nächsten Blogs.

Madeleine Heuts

Madeleine Heuts

Madeleine ist Juristin und Gründerin von RAKETENSTART. Sie schreibt nicht nur als Expertin über Rechtsthemen deines Unternehmens, sondern auch über ihre Reise als Gründerin mit RAKETENSTART und teilt Tipps aus der Praxis mit dir.